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my own projects: über die sache ist gras gewachsen - auschwitz;fotografieren

 

 

 

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© alle fotos/text/conception: günter krämmer

             
 

fotos

 

 

text

 

literatur

 

 

barackentür im lager I in auschwitz-birkenau

 

auschwitz-birkenau:


die asche aus den krematorien wurde in diese teiche geschaufelt
einwurfschacht für zyklon B

eingang zur gaskammer im krematorium IV
hier wurden leichen auf scheiterhaufen im freien verbrannt
hier wurde die asche aus den krematorien deponiert
gedenktafel für kinder, die von SS-ärzten für medizinische versuche missbraucht und umgebracht wurden
der weg in die gaskammer

 

 

 

 

 

 

 

 

auschwitz-stammlager:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

über die sache ist gras gewachsen. - das ist in auschwitz keine metapher.


wie es hier auszusehen hat, ist bekannt - das foto! - der blick geht entlang der gleisstränge, in die sich das einspurige zubringergleis nach dem lagertor auffächert, zu diesem hinter ihnen aufragenden tor, groß, schwarz, drohend, die flächen neben den gleisen: öde, leer, kalt. formal-fotografisch ausgedrückt: schwarzweiß, hohe kontraste, grobes korn.

mit diesem bild im kopf betrete ich das gelände des ehemaligen vernichtungslagers auschwitz-birkenau an einem sonnigen maitag des jahres 2002. - vor mir liegt eine riesige frühlingswiese, voller blumen, mittendrin ein paar rehe, darüber schwebt der allen frühlings- und sommerwiesen eigene gesang der lerchen!

und: das lagertor ist im hellen licht des frühlingstages nichts anderes als eine schäbige, aufgestockte baracke, unter der eben gerade ein zug durchpasst. hier wirkt gar nichts mehr bedrohlich, und auch nicht groß, und schon gar nicht in irgendeiner tragischen weise großartig. - ich glaube zu verstehen: hier war nie die dämonische todesfabrik, die uns die kz-ikonografie nahelegt, hier war immer nur eine banale und schäbige barackenansammlung, die verwaltungs- und wachgebäude eingeschlossen, an der zu allererst eines auffällt: die mit der sprichwörtlichen deutschen gründlichkeit und der damit einhergehenden unduldsamkeit gegenüber abweichungen von der norm durchgeführte anlage des lagers aus sich immer wiederholenden identischen einheiten, bezeichnet als lager I , lager II und so fort. ganz offensichtlich hat nämlich diese - irgendwie provisorisch anmutende - barackenstadt, so schäbig, wie sie war, völlig ausgereicht , den ihr zugedachten zweck zu erfüllen: als schlachthof zu dienen, in dem menschen in beliebiger zahl mit einem minimalen aufwand an ressourcen umgebracht werden können.

aber das ist etwas, was ich weiß. - was ich sehe, ist etwas anderes, etwas scheinbar ganz banal-normales - eine mitteleuropäische frühlingslanschaft mit allem, was dazugehört, von den blumen bis zum vogelgezwitscher. und die unabweisbare frage, was ich hier eigentlich zu suchen habe, bekommt einen neuen, einen anderen als ihren bisherigen moralischen sinn: dieser tag öffnet mir die augen und macht mir ein für alle mal klar: auschwitz liegt und lag nicht in irgendeiner hinterpolnischen einöde, sondern inmitten einer normal dicht besiedelten mitteleuropäischen kulturlandschaft. und nicht außerhalb unserer welt mit ihrem naturgegebenen ablauf der jahreszeiten, in einer gleichsam unirdisch kälteren welt.- und es wird mir auch demonstriert: der natur ist es egal, was hier vorher war: sie lässt in jedem fall gras - und immer dasselbe gras - darüber wachsen!


während die eingeführte kz-ikonografie - mit der besten absicht - versucht, die materiellen überreste des holocaust formal in einer weise zu verwenden, dass sie als sinnbilder des schreckens taugen, erreicht sie aber etwas anderes: auschwitz wird uns vom leib gehalten als etwas außerirdisch böses, schon daran zu erkennen, dass es anders aussieht als die dinge unsere welt, dass dort gleichsam andere naturgesetze herrschen.


ein anderes ding ist die Beobachtung, dass auch die besucher hier geradezu peinlich normal sind: die geführten besuchergruppen benehmen sich genauso wie sich solche gruppen überall auf der welt benehmen, wo sogenannte sehenswürdigkeiten zu finden sind. - im stammlager auschwitz sehe ich den japanern zu, wie sie sich gruppenweise vor der "schwarzen wand" fotografieren, an der tausende von häftlingen von der ss erschossen wurden, wie es auch eine dort angebrachte tafel in fünf sprachen erklärt. - in auschwitz-birkenau höre ich zwei amerikanischen juden zu, die die rampe, auf der die züge entladen und die menschen für die gaskammer selektiert wurden, entlangschlendern und sich laut über ihr hotel und ihre reiseumstände unterhalten. - im weitesten sinne wächst hier offensichtlich gras über die sache.


um meine frage von vorhin wieder aufzugreifen und zu erweitern: was habe ich hier eigentlich mit der kamera zu suchen? - die antwort habe ich schnell parat: ich nähere mich der welt, wenn sie mir nicht gerade in buchform entgegentritt, grundsätzlich mit der kamera! - also gut: lasse ich mir diese begründung auch hier durchgehen! bloß nützt mir diese antwort konkret nichts: ich muß ja entscheiden. was ich fotografiere und wie ich es fotografiere!

bin ich hier dabei, etwas zu fotografieren, was ich sehe, oder fotografiere ich nicht vielmehr, was ich weiß? mache ich - bewußt oder unbewußt - bilder, die meinen - und der meisten anderen - vorstellungen entsprechen, wie ein konzentrationslager abgebildet zu werden hat, oder mache ich bilder, die zeigen, was ist? (s. dazu z.b. reinhard matz rechts in der literaturliste) - geht das überhaupt? ist auschwitz nicht eher etwas, was man wissen muß, nicht etwas, was man sehen kann?

ich werde versuchen, an einem beispiel zu erklären, worum es geht. die krematorien mit den angeschlossenen gaskammern wurden in auschwitz kurz vor kriegsende von der ss gesprengt und sind entweder trümmerhaufen oder existieren noch in form ihrer grundmauern. da sie halb in die erde hineingebaut waren, mußten die gaskammern über treppen betreten werden, die schräg nach unten - sozusagen in den keller - führten. diese treppen sind noch vorhanden. man kann sie auch hinuntergehen - niemand außer Ihnen selbst wird Sie daran hindern! man kann sie auch fotografieren, zum beispiel auch von unten nach oben, gegen den himmel. - wer dieses foto betrachtet, und nichts von auschwitz weiß, oder nicht weiß, wo es gemacht wurde, sieht nichts als eine mehr oder minder malerische steintreppe. mit anderen worten: dieses foto ist ohne zusätzliche information sowieso sinnlos. - aber hat es mit der zugehörigen information einen sinn? anders gefragt: welche fotos machen hier überhaupt sinn? es könnte doch sein, dass hier nur solche fotos sinn machen, die einen konkreten zweck erfüllen, der außerhalb ihrer selbst liegt, die also gar keine eigenständigen fotos im klassischen sinn ( "ein gutes foto braucht keine erklärung") sind?

hier gibt es jedenfalls keine möglichkeit, nicht zur kenntnis zu nehmen, dass die herstellung eines fotos immer ein verwandlungsprozess ist, in dem aus einem realen gegenstand oder geschehen ein objekt gemacht wird, das unter anwendung ästhetischer kriterien hergestellt, angesehen und beurteilt wird! - genau das ist schon immer das grundproblem der dokumentar- und reportagefotografie. (wie soll man das verstehen, dass z.b. kodak einen wettbewerb "pressefoto des jahres" ausschreibt und den ersten preis dann einem besonders gelungenen foto von einem verhungernden kind im sudan zuerkennt?)

diesem dilemma entkommt niemand, der fotos macht oder mit fotos arbeitet. auch nicht, wenn er sich für eine "arme" ästhetik entscheidet: schwarzweiß, ungefällig und was für formale mittel auch immer es da gibt - ein foto bleibt ein foto!


in auschwitz-birkenau findet man an plätzen, die für die funktion des lagers von bedeutung waren, erklärende tafeln. auf vielen dieser tafeln sind vergrößerte reproduktionen der wenigen originalfotos, die es vom betrieb des lagers gibt, zu sehen, wahrscheinlich um dem besucher zu sagen: so sah es hier früher aus! was aber bei dieser konfrontation der historischen fotos und ihrer art der ausstellung mit dem gelände des lagers und seinen überresten entsteht, ist eine ganz spezifische eigenständige ästhetik. die frage lautet daher nicht, kann ich fotos machen, die nicht ästhetischen gesetzen unterworfen sind, sondern: ist die art der verwendung und präsentation der fotos angebracht und angemessen?


zurück zur metapher vom gras, das über eine sache wächst: als ich das gelände von auschwitz-birkenau am abend verließ, um in den ort oswiejcim zurückzugehen, habe ich nicht die straße benützt, sondern bin entgegen der zufahrtsrichtung dem bahngleis nachgegangen, das von der hauptstrecke in einem kilometerlangen bogen durch die felder auf das tor des lagers zuläuft. auch über dieses gleis ist in vielerlei hinsicht gras gewachsen: zuerst im wörtlichen sinn, aber auch in dem sinn, dass es als nicht benütztes bahngleis für die anwohner andere funktionen erfüllt. an einer stelle dient es einem bauern als parkplatz für sein auto, an einer andern haben die bewohner eines kleinen im freien feld liegenden gehöftes einen tisch mit stühlen und sonnenschirm auf diesem ebenen platz aufgebaut, der ihnen offensichtlich als für diesen zweck gut geeignet erschien, und auf dem die eingesunkenen gleise auch kaum noch zu sehen sind.

 

 

 

 

 

 

     

     

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  • ruth elias/ die hoffnung erhielt mich am leben/ münchen 1988
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  • ernst antoni/ kz/ frankfurt 1979

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